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Was lässt sich künstlerisch erzählen, in den Orten einer Stadt? Was war, was ist, was könnte da sein, wo jetzt Lücken sind? Was passiert hinter den Fassaden? Und welche Schicksale beherbergten sie, diese Orte?
Seit 2014 lebe ich am Stadtrand von Zeitz und auch mir blieb nicht verborgen, wie sich Debatten um Schrumpfung, Abwanderung, Leerstand, Abriss und Sanierung rankten. Hinter diesen zum Teil pragmatischen Prozessen stehen aber auch lebendige Geschichten und Menschen. Dieses Thema machte ich zum Inhalt meiner Arbeit.
Am Eckgebäude der ehemaligen Brauerei Oettler in Zeitz fand ich einen Ort mit Geschichte, mit nicht mehr vorhandenem, aber spürbarem Leben. Das ehemalige Wohnhaus war nach langem Leerstand ausgebrannt und wurde schließlich abgerissen. In den Fragmenten der umgebenden Gebäude ist es noch eindeutig zu erkennen. Und doch ist es verschwunden. Dieser reizvolle Zwiespalt faszinierte mich.
Bei der Motiventwicklung entschied ich mich dafür, die starre, feste Fassade in einen scheinbar beweglichen Vorhang zu wandeln. Zwei kindliche Figuren sollten diesen nach oben ziehen. Ein neugieriges Spiel. Hinter der Fassade sollte ein Innenraum entstehen, der schlüssig und gesamt wirkt. Bei genauerem Hinsehen besteht dieser aber aus einzelnen Fragmenten bzw. Farbflächen, die diese einzelnen Momentaufnahmen und Lebensausschnitte der vielen Leben und Geschichten widerspiegeln.
Das Motiv habe ich in meinem Atelier auf vorgebauter Bodenfläche innerhalb von etwa zehn Wochen in der Größe 8,50m x 6,30m auf Nesselstoff umgesetzt. Nach dem Vorzeichnen mit Kohle begann ich die Flächen malerisch zu gestalten. Im Bereich der Fassade lasierend und aufeinander aufbauend. Im Bereich des Innenraums deckend und flächig. Immer wieder wechselte ich von der Gestaltung der Fassade in den Innenraum und zurück, um einen harmonischen Gesamteindruck zu erreichen. Nach der malerischen Arbeit bereitete ich das Gemälde mittels Umnähen und Ösen so vor, dass es an dem eigens gefertigten Rahmen an der Fassade des genannten Gebäudes angebracht werden konnte. Dort blieb es von Ende September bis Ende Oktober 2017 öffentlich ausgestellt.
Die Resonanz, insbesondere der Zeitzer hat mich sehr berührt. Mit viel Emotion begannen sie im Kontext meiner Arbeit ihre eigenen Geschichten zum Ort zu erzählen und gaben damit dem Ort noch einmal ein bisschen mehr Leben hinzu.